Dr. Mabuse, der Spieler ist ein Stummfilm des Regisseurs Fritz Lang in zwei Teilen mit jeweils sechs Akten. Er wurde 1921/1922 weitgehend in den Jofa-Ateliers Berlin-Johannisthal gedreht, basierend auf der durch Thea von Harbou adaptierten Romanvorlage von Norbert Jacques. Produktionsgesellschaft war die Uco-Film GmbH, an der auch Harbous und Jacques’ Verleger Ullstein beteiligt war. Es handelt sich um den ersten Film über die Romanfigur Dr. Mabuse, weitere folgten über Jahrzehnte verteilt. Claude Chabrol inszenierte mit Dr. M (1990) eine Neuverfilmung.

Handlung

Teil 1: Der große Spieler – Ein Bild der Zeit

(Premiere: 27. April 1922)

Der Arzt und Psychoanalytiker Dr. Mabuse führt hinter der gutbürgerlichen Fassade seiner Praxis ein verbrecherisches Doppelleben. Er ist der Kopf einer verzweigten Verbrecherbande mit mafiösen Strukturen, die sogar die Polizei unterwandert hat. Nachts erscheint Mabuse in wechselnden Masken und Verkleidungen in Nachtclubs sowie legalen und illegalen Spielcasinos, wo er beim Kartenspiel seine Mitspieler durch Hypnose manipuliert, zu hohen Einsätzen verleitet und verlieren lässt. Außerdem manipuliert Mabuse durch Aktendiebstahl und gezielte Falschinformationen die Börsenkurse, ist in Spionagefälle verwickelt, besitzt Häuser, Autos, Yachten, Nachtclubs und sogar eine eigene Falschgelddruckerei. Das auf diese Weise erwirtschaftete Vermögen legt er in große Schmuggelaktionen an. Er ist ein Meister der Maske und der Hypnose und will mit seiner Verbrecherbande im Berlin der 1920er Jahre eine gesetzlose Schreckensherrschaft errichten, einen „Staat im Staate“, wie er es später selbst formuliert.

Ein rasanter Anfang führt den Zuschauer in die Welt des übermenschlichen Verbrechers ein: In einem internationalen Fernschnellzug wird ein Geheimkurier niedergeschlagen. Seine Tasche fliegt aus dem Fenster des Zuges und landet auf dem Rücksitz eines Autos, das von einem Komplizen pünktlich durch eine Unterführung des Bahndamms gesteuert wird. Die Tasche wandert von einer Hand zur anderen. Dann ist die Sensation perfekt. Der vermeintliche Diebstahl des Geheimvertrags zwischen einem niederländischen Kakaoimporteur und einer Schweizer Bank wird in der Weltpresse veröffentlicht und führt zu einem Börsensturz. Dahinter steckt Dr. Mabuse, der aus der Baisse als einziger Kapital schlägt. Staatsanwalt von Wenk, Leiter des Spezialdezernats zur Bekämpfung der Spielleidenschaft, kommt dem dämonischen Verbrecher auf die Spur. Trotz aller Bemühungen der Polizei reichen die Beweise aber nicht, Mabuse zu überführen, geschweige denn zu verhaften. In einem Spielsalon lernt Wenk die Gräfin Told kennen, die er zur Mitarbeit überreden kann. Dr. Mabuse fährt inzwischen fort, die Menschheit für seine Zwecke zu missbrauchen. Sein Blick ist Befehl, dem sich keiner entziehen kann. Am Schluss des ersten Teils des Films steht er auf dem Höhepunkt seiner Macht; keiner seiner Gegner kann ihm das Wasser reichen.

Teil 2: Inferno, ein Spiel von Menschen unserer Zeit

(auch Dr. Mabuse. Inferno des Verbrechens. Premiere: 26. Mai 1922)

Die Gräfin Told, die im Auftrag von Wenks Dr. Mabuses Komplizin Cara Carozza aushorchen sollte und ihr ins Gefängnis folgt, versagt angesichts deren Leidenschaft für den dämonischen Doktor. Um Mabuse ihre wahre Liebe zu beweisen, nimmt sich Cara Carozza das Leben. Mabuse seinerseits begehrt die Gräfin Told; er entführt sie und richtet ihren Mann, einen degenerierten Adligen, systematisch zu Grunde, indem er ihn zuerst zum Falschspiel, schließlich unter Einsatz seiner stärksten Waffe, der Hypnose, zum Selbstmord treibt: In Trance schneidet er sich die Kehle durch. Doch der Untergang Dr. Mabuses bahnt sich an: Er will Wenk, seinen noch verbliebenen Gegenspieler, beseitigen lassen. Der Anschlag misslingt, und dies gibt Wenk die Möglichkeit zu kontern. Er treibt Mabuse in die Enge. Mabuse wird zusammen mit seiner Bande in seinem Haus von der Polizei belagert. Er verteidigt sich so verbissen, dass der Staat zum letzten Mittel greifen muss, dem Einsatz von Militär. Dennoch kann er noch einmal entkommen. Er flieht durch die Kanalschächte der Stadt und gelangt in seine Falschgeldwerkstatt. Dort angekommen findet er aber alle weiteren Fluchtwege verschlossen und auch der Rückweg ist versperrt – er sitzt wie ein gefangenes Tier in der Falle. Mabuse bricht zusammen, Bilder jagen ihm durch den Kopf, die Geister seiner Opfer verfolgen ihn. Die Polizei findet ihn, wahnsinnig geworden, inmitten eines Haufens Falschgeld sitzend.

Titel

Der Begriff Spieler ist mehrdeutig. Er trifft unter anderem auf Glücksspieler, Schauspieler oder Puppenspieler, aber auch auf das Spielen zum Zeitvertreib zu. Dr. Mabuse ist all das zugleich: Er spielt Glücksspiele, bei denen er verkleidet auftritt und andere Menschen mit Hypnose manipuliert. Das Spiel mit Menschen, deren Gefühlen und deren Schicksalen ist das einzige, das ihn dauerhaft interessiert, wie er gegenüber der Gräfin Told äußert.

Deutung

Dr. Mabuse war ein Sensationsfilm und ein Erfolg. Aber der Nerv des Erfolgs lag hier nicht einmal im Sensationellen, das noch einigermaßen im Hintergrund blieb. Er lag in der Darstellung des Films als Zeitbild. Der Film sollte ein Spiegelbild der Weimarer Republik sein. Fritz Lang reflektiert darin Gesetzlosigkeit, Nachtlokale, Spielhöllen, Orgien, Anarchie und die Prostitution dieser Zeit.

In der Charakterisierung des Dr. Mabuse ist der Bezug auf Nietzsches Übermenschen nicht zu übersehen. Die Figur des Dr. Mabuse wird vielfach als Spiegelbild Adolf Hitlers interpretiert. Dieser erste Mabuse-Film bietet hierfür jedoch noch keine Ansätze. Erst mit Das Testament des Dr. Mabuse, der 1932 kurz vor der Machtergreifung Hitlers gedreht wurde, legte Lang eine solche Interpretation nahe, indem er der verführerischen Figur des Großverbrechers zahlreiche Zitate nationalsozialistischer Führungsfiguren in den Mund legte. Der frühe Mabuse von 1922 verkörpert jedoch – nach Langs Aussagen – den verbrecherischen Antistaat, während Hitler für den starken Staat stehe.

Kritiken

Restaurierung

Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Stummfilmen der 1920er Jahre haben sich die beiden Mabuse-Filme vollständig erhalten und wurden im Jahr 2000 von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restauriert. Die Musikbegleitung der restaurierten Fassung wurde von Aljoscha Zimmermann neu komponiert und eingespielt. Für die ursprüngliche Fassung ist keine eigens komponierte Musik nachweisbar.

Die Mabuse-Bücher – Buchvorlage und Filmadaption in einem

In der Buchvorlage Dr. Mabuse, der Spieler von Norbert Jacques stürzt Mabuse am Ende der Geschichte, nach zahlreichen Verfolgungsjagden per Auto und Schiff schließlich aus einem Flugzeug. Lang empfand dieses Ende als zu endgültig und hielt sich die Hintertür für eine Fortsetzung offen, indem er Mabuse am Ende dem Wahnsinn erliegen ließ. Basierend auf dieser Wendung entstand auch anschließend das Drehbuch zum Testament des Dr. Mabuse, das Jacques dann basierend auf dem Film wieder als Roman umsetzte. Dabei halbierte der Buchautor kurzerhand Mabuses Fallhöhe und nahm implizit Bezug auf die in ihren Grundzügen parodistische Kurzgeschichte Doktor Mabuse auf dem Presseball von 1923, in der er die Wasser für eine Fortsetzung der Mabuse-Bücher ausgelotet hatte. Eine weitere Änderung im Film besteht in der Wegnahme der „Eitopomar“-Motivation für Mabuse – der Traum eines eigenen Eilands, das Jacques in späteren Geschichten wieder aufzugreifen plante.

Schon in den Mabuse-Büchern von Jacques spielte der Zeitbezug eine große Rolle, auch wenn dies aus heutigem Blickwinkel nicht mehr so offensichtlich ist. Autos, Flugzeuge, Schiffe, das Telefon und andere, damals neue, Technik spielen eine große Rolle. Psychopathologie und Hypnose wurden als neu entdeckte Gebiete der Wissenschaft genauso integriert wie neue Erkenntnisse der Chemie, so z. B. in Jacques’ an Jules Verne erinnernden Prequel Ingenieur Mars (1923). Auch war der Autor es gewohnt, aktuelle Zeitungsartikel als Inspirationsquelle zu nutzen, wie man aus seinen Notizen zu dem unvollendeten Mabuses Kolonie – oder N.J. sucht Kristina von 1930 entnehmen kann, und war sich nicht zu schade, dem Verleger auch anzubieten, Teile des Werkes kurzfristig mit Bezugnahmen auf aktuelle Ereignisse zu versehen.

Das letzte Buch in der Reihe, Chemiker Null (1934, anfangs auch unter dem Titel Der Chemiker des Doktor Mabuse), war gleichermaßen aktuell, überzeugte jedoch gleichzeitig mit einem überraschend originellen Ende, obwohl es den Trend der Filme (und Bücher) fortsetzte, die Auftritte des Doktors selbst zu reduzieren.

Zitate

Literatur

  • Norbert Jacques: Dr. Mabuse, der Spieler. Roman. Mit einem Dossier zum Film von Fritz Lang, Filmbildern und faksimilierten Werbemitteln der Zeit (= Dr. Mabuse, Medium des Bösen. Bd. 1 = rororo 13952). Zeichnungen von Theo Matejko und einem Essay von Günter Scholdt. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1996, ISBN 3-499-13952-9.
  • Rudolf Freund: Dr. Mabuse, der Spieler. In: Günther Dahlke, Günter Karl (Hrsg.): Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933. Ein Filmführer. 2. Auflage. Henschel-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-89487-009-5, S. 75 ff.
  • Andreas Blödorn: Dr. Mabuse – oder der ‚beobachtete Beobachter’. Zu einer intermedialen Reflexionsfigur zwischen Film und Roman in der Frühen Moderne. In: Andreas Blödorn, Christof Hamann, Christoph Jürgensen (Hrsg.): Erzählte Moderne. Fiktionale Welten in den 1920er Jahren. Wallstein Verlag, Göttingen 2018, S. 408–426.
  • Ilona Brennicke, Joe Hembus: Klassiker des deutschen Stummfilms. 1910–1930. (= Goldmann 10212 Goldmann Magnum. Citadel-Filmbücher). Goldmann, München 1983, ISBN 3-442-10212-X.

Weblinks

  • Dr. Mabuse, der Spieler bei IMDb
  • Rezension bei Sense of View

1. Teil:

  • Dr. Mabuse, der Spieler I: Der große Spieler. Ein Bild der Zeit bei filmportal.de (u. a. zeitgenössische Rezensionen, Uraufführungsplakat, Reklame-Spielkarten, Fotos)
  • Dr. Mabuse, der Spieler, 1. Teil – Der große Spieler in der Online-Filmdatenbank
  • 1. Teil des Films (mit englischen Texten). Der Film ist abrufbar im Internet ArchiveVorlage:Internet Archive Film/Wartung/Verschiedene Kenner in Wikipedia und WikidataVorlage:Internet Archive Film/Wartung/Wikidata-Bezeichnung vom gesetzten Namen verschieden (102 Minuten)

2. Teil:

  • Dr. Mabuse, der Spieler II: Inferno. Ein Spiel von Menschen unserer Zeit bei filmportal.de
  • Dr. Mabuse, der Spieler, 2. Teil – Inferno in der Online-Filmdatenbank
  • 2. Teil des Films (mit englischen Texten). Der Film ist abrufbar im Internet ArchiveVorlage:Internet Archive Film/Wartung/Verschiedene Kenner in Wikipedia und WikidataVorlage:Internet Archive Film/Wartung/Wikidata-Bezeichnung vom gesetzten Namen verschieden (112 Minuten)

Einzelnachweise


Dr. Mabuse, der Spieler 2 Cineville

DR. MABUSE, DER SPIELER Teil 2

Dr. Mabuse, der Spieler Teil 1 Der große Spieler Ein Bild der Zeit

27.04.1922

1922Dr Mabuse der Spieler Roman's lab